Unsere neuen Diener

Die Vorstellung, rund um die Uhr bedient zu werden, ist verführerisch und erschreckend zugleich. Man kann sich dabei wie ein König fühlen, dem alles abgenommen wird, alles zuarbeitet, oder wie ein Todkranker, der allein nichts mehr zu verrichten vermag. Zwischen Souveränitätsversprechen und Entmündigung schillert auch das Serviceangebot in dem Apartmenthaus auf der Upper West Side Manhattans, in dem Christoph Bartmann als Direktor des New Yorker Goethe-Instituts mit seiner Familie wohnte.

Der Mieter wird in diesem Haus kundig betreut und zum Zwecke der Wunscherfüllung überwacht. Portiers und Hausmeister, Kindermädchen, Reinigungs- und Pflegekräfte stehen zu Diensten. Boten bringen Pakete, gebügelte Hemden, bestelltes Essen. Wenn ein Katzen-Sitter gebraucht wird, weiss der Doorman Rat. Briefe gibt man, um den Weg zur Post zu sparen, an der Rezeption ab, die sich auch um notwendige Reparaturen kümmert. «Man kann sich von nahezu allen häuslichen Aufgaben freikaufen und dabei stets auf ein Überangebot an kostengünstiger Arbeitskraft zugreifen.»

Die meisten Servicekräfte sind Latinos aus Mexiko oder Zentralamerika, sie haben die erforderlichen Papiere oder nicht, unterstützen ihre Familien in den Herkunftsländern, für deren Ökonomie sie eine grosse Rolle spielen. Im Haus wirken die Frauen, während die Männer die Sachen ins Haus bringen. Ob sie nun Luis, Isai oder Ramon heissen, zu Weihnachten erhalten sie einen Dankesbrief und ein Trinkgeld. Das sei zwar, versichert die Hausverwaltung, nicht nötig, man bezahle anständig, aber es befördert das gute persönliche Verhältnis zu den Dienstleistern.

Bartmann ist klug genug, den Rückgriff auf Servicepersonal nicht pauschal zu verdammen, gerade in der Pflege geht es oft nicht ohne. Aber er öffnet die Augen für gern verleugnete Schrecken des betreuten Daseins und wirbt für eine Lebensführung, «für deren Leistungsbilanz der Einsatz von Personal nicht strukturell erforderlich wäre». Wer Gefahr läuft, das «volle Leben» über lauter Lebenserleichterung zu verpassen, findet in diesem Buch viele Gründe, die Fenster einmal wieder selbst zu putzen. Die Sicht wird freier.

Christoph Bartmann: Die Rückkehr der Diener. Das neue Bürgertum und sein Personal. Carl Hanser Verlag, München 2016. 288 Seiten.

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